Digitale Medienbildung

11. Juli 2012

Im Auge des Handykriegs – ein Besuch an der Dokumenta13

Filed under: Digital Life,HAndy,Internet,Mediengewalt — heinzmoser @ 20:08
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Kunst ist heute multimedial orientiert – das zeigt die Dokumenta 13 mit ihren vielen medial inszenierten Installationen, den Videos, der Fotokunst. Als Beobachter der Medienwelt hat mich vor allem eine Installation tief berührt – nämlich die Handyaufnahmen aus Syrien, die Rabih Mroué aus Beirut im Hauptbahnhof (The pixelated Revolution) präsentiert. Zuerst sieht man im Raum nur  verschwommene Grossaufnahmen von Menschen, die offensichtlich aus der Perspektive eines Handys fotografiert wurden. Sie richten ihre Waffen auf den Betrachter – und dann haben sie wohl geschossen. Doch die verschwommenen Mörder bleiben weiterhin unbekannt.

Mroué hat hier Videos von YouTube zusammengestellt, die immer die gleiche Situation aus dem syrischen Aufstand zeigen: Aufständische wollen mit ihren Handys die brutale Unterdrückung dokumentieren und werden dabei selbst erschossen, in Homs, Hama oder Duma. Sie benutzen das Handy wie einen Teil ihres Körpers und werden zum Opfer, weil sie die Gefahr zu spät realisieren und kaum bemerken, wie auf sie gezielt wird?

In einem Video das in demselben Raum gezeigt wird versucht der Künstler eine Erklärung des Geschehens: Die Handyfotografen sind so in ihr Geschehen vertieft, das einer virtuellen Gemeinschaft angehört, der gegenüber sie Zeugnis ablegen, dass sie die Realität gar nicht mehr richtig wahrnehmen. Sie fotografieren, wie das Rohr eines Panzers langsam gegen sie gerichtet wird – und vergessen, dass sie selbst es sind, die direkt in die Schusslinie geraten.  Das Handy wird so zum Auge, das den Gegner fixiert und dann das eigene Sterben dokumentiert. Rabi Mroué im Interview mit dem Deutschlandradio: „ Für mich ist die Re-Inszenierung ein wichtiges Mittel, um einen Abstand herzustellen, denn die Videos zeugen wirklich von großer Gewalt, selbst wenn man kein Blut und keine Leichen sieht. Man weiß, hier geht es um „double-shooting“: um den Augenkontakt zwischen Kameramann und Scharfschützen, und dann hört man einen Schuss, der das Mobiltelefon traf. Wir wissen nicht, ob der Filmende verwundet, getötet oder gerettet wurde. Die Tatsache, dass das Handy von einer Kugel getroffen wurde und auf den Boden fiel, ist bereits Ausdruck großer Gewalt.“

Man erschrickt an diesen Szenen, weil sie zeigen, wie wir glauben, dass die Medien eine Verlängerung unseres physischen Körpers sind, die uns dem Schutz einer globalen Gemeinschaft unterstellen. Wenn wir und Öffentlichkeit verschaffen scheinen wir unangreifbar. Und als Betrachter der Videos nehmen wir selbst die Perspektive der Opfer ein – wir sind es, auf die eine verschwommene Gestalt plötzlich zielt und abdrückt.  Doch welches Glück, wir leben…

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