Digitale Medienbildung

26. Juli 2011

Kurzrezension: Schlagzeilen, Skandale, Sensationen

Filed under: Uncategorized — heinzmoser @ 20:20

Die englische Diskussion über den Abhörskandal um die Boulevard-Zeitung  News of the World hat das Imperium des Medien Tycoons Rupert Murdoch ins Taumeln gebracht. Es wurde wieder bewusst, dass Schlagzeilen, Skandale und Sensationen zu den Essenzen boulevardisierter Medien gehören. Doch gilt das auch für den Journalismus in der Schweiz. Da kommt ein Buch von Kurt W. Zimmermann gerade richtig, das genau diesen Titel hat: „Schlagzeilen, Skandale, Sensationen. Wie Medien und Journalisten heute agieren“ (Zürich: 2011).

Doch leider enttäuscht dieses kurzatmige Buch, das vor allem aus überarbeiteten und ergänzten Medienkolumnen aus der „Weltwoche“ besteht. Eigentlich erfährt man wenig Neues; zudem wird vieles pausenlos im Buch wiederholt. Auf S. 12 wird ein dreistufiges Modell beschrieben, wie in der journalistischen Alltagsarbeit Skandale erzeugt werden:
– durch „Schrauben“, indem der Story ein bestimmter Dreh verpasst wird;
– durch „Aufpumpen“, indem diese auf eine höhere Ebene geschoben wird:;
– durch „Zuspitzen“, indem die Story auf ihr finales Potenzial ausgestestet wird.

Genau dies scheint aber auch die Methode, welche der Autor in seinem Buch auf immer neue Beispiele anwendet.  Dabei sind einzelne Beispiele sicher erhellend, da Zimmermann die Journalismus-Szene von innen kennt. So führt er nochmals ins Bewusstsein, wie die Medienkonzentration beim Verlagshaus Tamedia in den letzten Jahren funktionierte – etwa im Fall der Thurgauer Zeitung. Diese wurde übernommen, um die „langfristige Unabhängigkeit“ und die Medienvielfalt im Kanton Thurgau zu sichern. Schon fünf Jahre später kam es zum Verkauf an die NZZ Gruppe und dann zur Einstellung der Zeitung… (S. 63).  Viele zu viele andere Beiträge enden dagegen in plakativer Thesenhaftigkeit, die nach dem dreistufigen Modell funktioniert, wie es oben beschrieben wird.

Schon beinahe merkwürdig wird es, wenn Zimmermann die Zunft der Kolumnisten kritisiert, da nichts so ins Kraut schiesse, wie diese. Wenn er dabei die „masernartige Kolumnitis“ kritisiert, so gehört ja die Entstehungsgeschichte seines Buches ebenfalls in dieses Kapitel. Und es gilt, was er für die Kolumne als Definition beschreibt: Sie sei kurz und stehe als Fachbegriff aus der Typographie für eine Spalte. Doch das ist es gerade, was sein eigenes Buch so schwierig macht: Eine Unmenge von einzelnen hintereinandergelegten Spalten. Das führt indessen dazu, dass der analytische Blick zu kurz kommt. So ist daran zu zweifeln, ob dadurch jeder Leser, wie der Klappentext verspricht, durch die Lektüre dieses Buches zum Medienprofi wird.

Kurt W. Zimmermann, Schlagzeilen, Skandale Sensationen. Wie Medien und Journalisten heute agieren, Zürich 2011 (Orell Füssli)

22. Juli 2011

Social Media und Rechtsextremismus

Filed under: Digital Life,Medienpädagogik,Social Media — heinzmoser @ 20:57

In einem Interview wurde ich kürzlich gefragt, ob denn Facebook als Web 2.0 Strategie geeignet sei Jugendlichen zu politisieren. Der Interviewer schien sich dabei auf die Ereignisse in Tunesien und Ägypten zu beziehen, wo Jugendliche gegen autoritäre Regimes von unten auf dem Internet  mobil machten. Und natürlich schwebte im Hintergrund auch noch das Bilde der linken Jugendlichen des letzten Jahrhunderts mit, die aus dem Staat „Gurkensalat“ machen wollten.

Dennoch konnte meine Antwort nicht einfach positiv lauten. Bei politischen Gruppen auf Facebook dominieren keineswegs linke basisdemokratische Gruppierungen. Das zeigt schon meine eigene Untersuchung, wo Minarettverbot und Aufrufe wie 5000 für die Schweizer Demokratie zu den beliebtesten Gruppen zählten. Jedenfalls scheinen gerade rechtskonservative Gruppen Facebook geschickt zu nutzen.

Schwierig schien mir zudem, dass in solchen Gruppen oft nicht transparent ist, welche Interessen man unterstützt, wenn man eine solche Seite anklickt. Denn oft sind es Jungpolitiker gestandener Parteien, die sich hinter solchen Gruppen verbergen. Wer gedankenlos mit einem Mausklick zustimmt – weil z.B, dies auch die  „Freunde“ getan haben, ist sich wahrscheinlich dieser Hintergründe gar nicht bewusst.

Ein Bericht in der Süddeutschen Zeitung vom 22. Juli 2011 macht solche Mechanismen noch deutlicher, Er zeigt auf, wie auch Rechtsextreme und Neonazis das Netz souverän nutzen. So beginnt der Beitrag mit folgenden Worten: „Die Facebook-Gruppe hat eine einfache Botschaft: ‚Keine Gnade für Kinderschänder‘. Das gefällt vielen. Knapp 35 000 User haben bereits ihre Zustimmung signalisiert. Auf den ersten Blick ist nicht zu erkennen, wer sich hinter dem Auftritt in dem Sozialen Netzwerk verbirgt, doch die Verlinkungen auf führende Köpfe der Neonazi-Partei  NPD verraten es. Es sind Rechtsextreme, die damit in der Facebook-Gemeinde Anhänger gewinnen.“

Und das Problem scheint sich in den letzten Monaten noch verschärft zu haben. In den Sozialen Medien werden Jugendliche mit alterstypischen Bildern Szenen und Themen von den Rechtsextremen angefixt – und dies offensichtlich mit Erfolg. So haben sich nach demselben Bericht knapp 900‘000 User bereits das Lied „Wir hassen Kinderschänder“ der rechtsextremen Liedermacherin Annett Müller auf You Tube angehört. Auf 400‘000 Aufrufe bringt es ein Video der Neonazi-Band Sleipnir.

Und das Fazit:  Mit Facebook politisches Interesse zu fördern ist nicht ganz einfach. Vielmehr braucht es bei Jugendlichen schon ein hohes Mass an politischen Kompetenzen, wenn man solche Zusammenhänge, wie sie die Süddeutsche schildert, durchschauen. will.

Social Media ist deshalb nicht nur ein Ort der Partizipation und des selbstbestimmten Handelns von Jugendlichen. Die damit verbundene Intransparenz scheint es vielmehr erforderlich zu machen, diese politische Seite des Netzes mit den Jugendlichen in medienpädagogisch orientierter  politischer Bildung Projektarbeit das politische Potenzial der sozialen Medien kritisch zu reflektieren und zu bearbeiten.

19. Juli 2011

Euro und Franken stehen 2:1

Filed under: Digital Life,Medien — heinzmoser @ 14:52

Der Wechselkurs zum Euro kann doch gar nicht so tief sein, wie es in alle Medien steht. Heute habe ich am KIosk ein PC-Magazin für Euro 3.80 in Zürich gekauft, weil mich ein Artikel über Facebook interessierte. Auf dem Heft stand auch der Europreis: 1.90. Ein Wechselkurs von 2:1, das ist ja noch mehr als in den besten Zeiten! Wer wagt da noch etwas gegen den tiefen Eurokurs und die galoppierende Entwertung  zu sagen?

Und natürlich werden wir dann auch bald gratis zwei Stunden mehr arbeiten dürfen, damit wir die teuren Heftli aus Deutschland auch morgen noch bezahlen können. Gibt es da noch Fragen oder etwas zu motzen? Ist doch alles ganz einfach und sonnenklar.

15. Juli 2011

Politik im Internet

Filed under: Digital Life,Medienwissenschaft,Social Media — heinzmoser @ 16:35

Der Tages-Anzeiger vom 14. Juli berichtet über die Problematik von Online-Leserforen, wo sich „normale“ Bürger scheinbar spontan äussern. Doch dahinter stehen oft Anhänger der traditionellen Parteien, deren Anhänger gezielt dazu aufgerufen werden, bestimmte Artikel zu kommentieren.

Ähnliche Probleme zeigen sich auch bei Facebook-Gruppen. Scheinbar von empörten Bürgern direkt ins Leben gerufen, verbergen sich dahinter oft auch hier Anhänger jener Parteien, die ihre Anliegen auf diese Weise lancieren wollen. Gegenüber den üblichen politischen Kampagnen bleiben Ross und Reiter jedoch ungenannt.

Mit anderen Worten: Internet und Social Media sind schwierige „politische“ Medien, weil es dort sehr oft an Transparenz fehlt. Das Medium der direkten Bürgerbeteiligung ist eben lange nicht so direkt von unten gesteuert, wie es auf den ersten Blick erscheint. Es braucht oft schon ein grosses Mass an politischer Kompetenz, um die dahinterstehenden Verflechtungen zu erkennen.

Jedenfalls ist es entschieden zu einfach, in den neuen Medien des Internets eine Möglichkeit zu sehen, neue Schichten der Bevölkerung politisch zu aktivieren. Meist sind es die nur die  bestehenden politischen Eliten, die hier eine neue Plattform finden. Zwar ist es für Jugendliche einfach, sich mit dem Anliegen einer Facebook-Gruppe per Mausklick zu solidarisieren – vor allem wenn das die „Freunde der Freunde“  vorgemacht haben. Die Entwicklung von tieferen politischen Kompetenzen ist allerdings auch in den Zeiten des Internets nicht per Knopfdruck zu haben.

Vgl. dazu auch meinen im August erscheinenden Artikel „Das politische Internet – Möglichkeiten und Grenzen“ in der Online Zeitschrift MedienPädagogik (www.medienpaed.com)

 

2. Juli 2011

Das Fernsehen ist tot

Filed under: Digital Life,Medienpädagogik,Medienwissenschaft — heinzmoser @ 09:13

In den letzten Tagen hat das Schweizerische Fernsehen mit Unruhe reagiert. Anlass war die von  Nationalrätin Natalie Riklin mit über 143 000Unterschriften eingereichte Petition für eine Reduktion der Radio- und Fernsehgebühren von 462 auf 200 Franken jährlich.  Nach 20 Minuten gibt es aber auch eine eben eingereichte Volksinitiative, die auf Gebühren ganz verzichten will.

Ein Grund dafür sind sicher die rückläufigen Einschaltquoten beim Schweizer Fernsehen. Gerade bei Tagesschau und der Nachrichtensendung 10 vor 10 ist der Rückgang massiv – gemäss NZZ am Sonntag mittlerweile mit einem Marktanteil von unter 30%. In einem etwas hilflosen Interview mit dem Tagesanzeiger beschwor SRG Generaldirektor de Weck das globalisierte Internet und die Notwendigkeit, verstärkt auf dem Netz präsent zu sein. Private und öffentliche Anbieter sollten gemeinsam bei der Vermarktung mitwirken. Denn wie das Beispiel von Google und Facbook zeigt, wandern die Werbeeinnahmen zunehmend zu den grossen Internetanbietern. Damit soll die Doktrin fallen, dass bei den Gebühren die öffentlichen und bei den Werbeeinnahmen die privaten Anbieter im Vorsprung sind.

Allerdings ist das nur eine Seite der Medaille. Generell besteht ja die Tendenz, dass das Fernsehen ins Internet abwandert. Jugendliche sehen dort You-Tube Filme, gestreamte Spielfilme und auf dem Netz abgelegte Dokumentationen der Fernsehanstalten an, indem sie sich selbst ein Programm zusammenbasteln. Nach diesen Beobachtungen ist das abgeschlossene Fernsehen mit eigener Programmstruktur in spätestens 10 Jahren tot und erledigt. Denn das Netz und das heutige Fernsehen sind bis dann unter neuen Formen zusammengewachsen, wo Pull gegenüber Push eine weitaus grössere Rolle spielt.

Dann besteht aber nicht mehr die Frage nach einem öffentlichen Fernsehen an sich. Sie wird ersetzt durch die Frage, ob die Öffentlichkeit als Interessenvertreter einer qualitativ hochstehenden Information für die Allgemeinheit nicht bestimmte Produktionen auf dem Netz finanziert bzw. mitfinanziert, die der Tradition der heutigen öffentlich-rechtlichen Anstalten wie BBC, Schweizer Fernsehen, SRD oder ZDF entsprechen. So könnte z.B. ein Internetsender für qualitative News, Hintergrundbeiträge zur aktuellen Politik, Kulturbeiträge etc. unterstützt werden – oder auch für die Produktion von hochstehenden Angeboten im Kinderprogramm – „Die Sendung mit der Maus“ quasi als Netzausgabe.

Das heutige  Fernsehen wird es aber nicht mehr geben. Wo es hoch kommt, haben sich die Fernsehanstalten in Produktionsgesellschaften für Internet Angebote verwandelt. Leider wird diese Frage bei den Medienpolitikern nicht in dieser radikalen Schärfe diskutiert. Vielmehr muss man konkret überlegen, wie der Gedanke des Service public in einer produktiven Form auch im Internetzeitalter aufgenommen werden kann.

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