Digitale Medienbildung

5. Februar 2013

Digital Citizenship – eine neue medienpädagogische Perspektive

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Die Gefahren des Internets werden immer wieder in Presse und TV zum Thema gemacht. Gestern – 4.2.2013 wurde bei Frank Plasberg über „Handy an, Hirn aus – wie doof machen uns Apple und Co.?“ diskutiert. Und am 5.2.2013 hiess es in 20 Minuten Online: „Ein 47-Jähriger aus dem Berner Oberland gibt sich als sexy Mädchen aus, um an Nacktvideos von 15- bis 17-Jährigen zu kommen.

Bewahrpädagogisch kann man darauf mit Medienverboten reagieren und versuchen Kindern erzieherisch enge Grenzen zu setzen. Nur funktioniert dies in einer Gesellschaft immer weniger, die in den letzten Jahren immer stärker mediatisiert wurde – von Spielkonsolen, bis hin zu Smartphones und Laptops. Und schliesslich helfen blosse Verbote wenig, wenn es darum geht, einen sinnvollen Umgang mit digitalen Medien zu finden, wie es im Erwachsenenleben heute notwendig ist. Das führt zur Frage nach der  Vermittlung von Medienkompetenzen, um den Umgang mit Medien zu beherrschen. Auch das kann allerdings problematisch sein, denn die heutigen Medienkompetenzen sind möglicherweise in fünf Jahren wieder total veraltet. Und oft betonen Konzepte zur Vermittlung von Medienkompetenzen zu stark die technischen Aspekte der Mediennutzung.

Schwierig sind aber auch einseitige Wirkungshypothesen – also etwa die oben formulierte These, dass uns Apple und Co. Doof machen. Was man oft vergisst, ist die soziale Einbettung der digitalen Medien, über welche Wirkungen erst zustande kommen. Wenn man z.B. Facebook nimmt, dann sollte man nicht davon ausgehen, dass wohlmeinende Internetaktivisten dadurch das Kommunikationsverhalten der Menschen verbessern wollten (alle „liken“ sich auf Facebook). Vielmehr geht es bei den „Sozialen Medien“ um handfeste ökonomische Interessen, was nicht erst seit dem Börsengang von Facebook deutlich wurde. So ist es kein Geheimnis, dass die beworbene Produkte nur „gelikt“ werden wollen. An einem kritischen „Dislike“-Button ist denn auch keiner interessiert. Und dass immer mehr Produkte die User als Freunde aufs Netz lotsen wollen ist ebenfalls kaum überraschend.

Geht man von dieser sozialen Einbettung der digitalen Medien aus, so ist die Perspektive einer „Digital Citizenship“ interessant, die in der amerikanischen Medienpädagogik diskutiert wird. Wie etwa Mike Ribble betont, ist eine digitale Gesellschaft entstanden, die von der Erziehung bis zur Arbeitswelt und zur Ökonomie heute alle Bereiche betrifft. Jeder Alltag ist damit auch zum „digitalen“ Alltag und jeder Bürger auch zum „digitalen“ Bürger geworden. Was aber dieser neue Status des „digital citizen“ bedeutet und welche Anforderungen an diesen Bürger und einen verantwortungsvollen Umgang mit den digitalen Medien zu stellen sind, das scheint mir die zentrale Frage zu sein.

Hier hat allerdings auch das amerikanische Konzept von „digital citizenship“ seine Schwäche. So stellt Ribble neun Elemente vor, die dafür zentral seien – etwa der umfassende Zugang, der digitale Kommerz, digitale Literacy, digitale Etikette oder digitales Recht. Diese sollen den Schülerinnen und Schülern vermittelt werden, um den „richtigen“ Umgang mit den Medien zu lernen.

Nur ist da das grosse Problem, dass diese digitale Gesellschaft im Status des Werdens ist. Oft gibt es noch keine eindeutigen Regeln, die bereits vorliegen und nur noch angewandt und als klare Verhaltensregeln vermittelt werden können. So heisst es im Buch von Mike Ribble (S. 96):

„Scenario 2: When hanging out with friends, one student gets a cell phone call and conducts a conversation within the group. What is the proper etiquette when using a mobile phone in a public place?“ Doch was ist hier die „proper etiquette“? Je selbstverständlicher der Handygrbauch ist, desto stärker kann sich diese Etiquette verändern. Unter handygewohnten Jugendlichen nimmt man vielleicht den Anruf an und bezieht die umstehenden Kolleg/innen in Gespräch ein, während mancher ältere Handynutzer fast fluchtartig einen abgelegeneren Ort aufsucht.

Je stärker die digitalen Medien die Gesellschaft durchdringen, umso häufiger werden solche Situationen, wo es die eindeutige und klare Lösung nicht mehr gibt:

– Bei welchen Lebensereignissen darf man mit Email oder SMS reagieren – und wo wäre eine persönlichere Reaktion angefragt (Todesfälle, Hochzeiten etc.)

– Wo ist es von Vorteil, Texte auf einem Ebook zu lesen, und wo möchte man nach wie vor ein gedrucktes Buch oder ein gedrucktes Papier?

– Wie hat sicher der Musikmarkt mit dem Internet verändert und was bedeutet dies für das Urheberrechts

– Was versteht man unter Multi-tasking – und gibt es Situationen, wo dies spezifische Vor- oder Nachteile für das Lernen hat?

– Wo beziehe ich meine politischen Informationen – Online oder aus abonnierten Zeitungen und Zeitschriften?

Das Dilemma ist bei all diesem Fragen: Als Digital Citizen komme ich nicht darum herum, mir solche Fragen zu stellen und handhabbare Antworten zu finden. Doch diese Lösungen sind zu vielen Fragen nicht eindeutig. Alte Regeln werden brüchig, weil sie zur digitalen Gesellschaft nicht mehr passen; manches bleibt unverbindlich – oder es bilden sich neue Regeln erst langsam heraus.

Wenn es jedoch darum geht, dass digitale Bürger selbstverantwortlich in dieser neuen Gesellschaftsform handeln, kann dies auch eine medienpädagogische Chance darstellen. Anstatt fixe Lösungen durchzusetzen oder auf unsicheren Normen als den einzig Gültigen zu beharren, müsste es stärker darum gehen, die Problematiken zu verstehen, die dahinter stehen.  Erst dann kann beurteilt werden, ob sie als Lösungen für den digitalen Alltag tragbar sind. Denn wenn es darum geht, dass junge Menschen verantwortungsvolle digital citizens werden, dann müssten sie selber an der Herausbildung  und Gestaltung von digitale Lebensstilen beteiligt werden, welche in Zukunft das Fundament des Zusammenlebens darstellen.

Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass die digitalen Netze nicht nur positive Seiten haben. Auch Kriminalität, Mobbing und Gewalt gehören dazu. Allerdings ginge es hier nicht primär um externe Verbote, Warnungen und alarmistische Botschaften. Im Sinne des Empowerment müssten Kinder und Jugendliche hier vor allem angeleitet werden, wie sie sich als digitale Bürger verantwortungsvoll verhalten und sich gegen Übergriffe wehren können.

2. Februar 2013

Ein E-book knacken

Filed under: analoge Medien,Digital Life,Medienpädagogik,Urheberrecht — heinzmoser @ 09:56
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Um den Kopierschutz eines E-books knacken, dazu muss man kriminelle Energie entwickeln. Das ist natürlich verboten und muss z.B. Kindern und Jugendlichen als strafbar vor Augen gestellt werden – als Aufklärung vor den Gefahren des Internets. Denn Anleitungen wie  der Schutzmechanismus DRM ausgeschaltet werden kann, sind aus dem Internet leicht zu beziehen. So denkt man, müssen sich verantwortungsvolle Erzieherinnen und Erzieher verhalten.

Hä- wirklich? Mindestens in der Schweiz ist das nicht so einfach mit dem Unrechtsempfinden – sofern man einem Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) vom 31.1.2013 glauben darf.  Habe ich nämlich ein Buch gekauft, dann gehört es mir – und ich darf es weitergeben. Eine Mitarbeiterin der Schweizer Urheberrechtsgesellschaft Pro Litteris betont denn auch gegenüber der NZZ: „Es ist erlaubt, den Schutzmechanismus zu umgehen, solange die derart ‚befreiten‘ Ebooks nur privat verwendet werden. Erlaubt ist also die Umgehung des Schutzes, wenn dies „ausschliesslich zum Zweck einer gesetzlich erlaubten Verwendung erfolgt.“

Und die Moral von der Geschichte: Mit einfachen Warnungen, die scheinbar dem gesunden Menschenverstand entsprechen, kann man schnell falsch liegen. Und war es zu den Vorzeiten des analogen Buches nicht selbstverständlich, dass ich es ausleihen oder verschenken durfte? Man muss also aufpassen, nicht vorschnell  scheinbare Verbote weiter zu transportieren und Ängste vor Gesetzesverletzungen  zu schüren, wo dies unberechtigt ist. Denn wie der Fall zeigt Das Urheberrecht ist eine komplexe Materie.

Wie leicht man da auch in Fallen tappen kann, zeigt der Schlussabschnitt des Artikels: „Es ist also verboten, Vorrichtungen, Erzeugnisse oder Dienstleistungen anzubieten «mit dem Ziel der Umgehung wirksamer technischer Massnahmen». Deshalb kann an dieser Stelle auch nicht erklärt werden, was man genau tun muss, um die Freude bei der Lektüre von DRM-geschützten E-Books mit anderen zu teilen.“ Verboten ist es nämlich, Programme anzubieten, um den Kopierschutz zu löschen, wodurch es mir ja erst möglich wird, mein E-book gesetzeskonform weiterzugeben…

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